Im Psychologieunterricht der Oberstufe ging es diesen Herbst um faszinierende Erkenntnisse zum Unbewussten. Auch 80 Jahre nach Sigmund Freud hat diese von ihm beschriebene Instanz nichts an Bedeutung verloren. Zwar gelten eher Vernunftleistung und Reflexionsfähigkeit als typisch menschliche Eigenschaften. Nicht zu vergessen ist aber, dass eine Vielzahl von Prozessen im Alltag völlig automatisch abläuft. Routiniert, mühelos und meist zu ihrem Besten sind tagtäglich Menschen „ferngesteuert“ unterwegs. Wenn etwa der Feierabend auf der Heimreise gedanklich durchgeplant wird und man plötzlich zuhause vor der Tür steht. Und keine Ahnung mehr hat, wie man dahin gekommen ist. Es war unser „Autopilot“, der die Regie übernommen hat. Eine große Entlastung. Würden wir alle Reize um uns herum intensiv wahrnehmen, wäre unsere Aufnahmefähigkeit rasch erschöpft. Hirnforschern zufolge ist das Unbewusste in Gehirnanteilen des Limbischen Systems beheimatet. Intuition und Gefühle bestätigen uns, dass die Richtung stimmt. Dabei passieren natürlich auch Fehler. Jeder weiß: Übernehmen Emotionen die Regie, sind Menschen leicht manipulierbar. Und stellen Vernunftgründe hintan, wenn sich etwas „gut anfühlt“. Sigmund Freud sieht im Unbewussten die Ursachen psychischer Probleme. Therapeutisch wirksam erscheint dagegen die vernunftgeleitete Aufdeckung verdrängter Inhalte. Ein selbstbestimmtes Leben besteht also darin, die Oberhand über das „Steuer“ zu gewinnen. Bewusste Selbstaufmerksamkeit ist dafür hilfreich. Die Rolle des Unbewussten sollte dennoch nicht unterschätzt werden. Kürzlich sorgte es wieder einmal für Schlagzeilen: Psychologen der Universität Bern haben experimentell nachgewiesen, dass einfaches Vokabellernen sogar im Schlaf funktioniert. Für solche Lernvorgänge scheint Bewusstheit also keine Voraussetzung zu sein. Eine Schülerin im Psychologiekurs konnte in einem eigenen Versuch diesen Befund bestätigen. Die weitere Forschung wird zeigen, ob künftig Lernen neu gedacht werden muss, wenn Menschen in diesem Bereich tatsächlich ihr Unbewusstes für sich arbeiten lassen können.
Raphael Bronnhuber